Leiharbeit und Probezeit

Leiharbeit
Wiedereinstellung: Neue Probezeit oder schon Kündigungsschutz?

Angenommen, ein Leiharbeitnehmer erhält einen Arbeitsvertrag mit Bezugnahme auf die Tarifverträge von BAP/DGB, Probezeit sechs Monate. Er soll bei verschiedenen Entleihern eingesetzt werden. Nach vier Monaten, als der erste Entleiher keinen Bedarf mehr hat, erhält der Leiharbeitnehmer eine Probezeitkündigung. Wenige Wochen später findet sich ein neuer Entleiher. Der Leiharbeitnehmer wird wieder eingestellt, erhält den gleichen Vertrag wie vorher. Nach fünf Monaten, als der Entleiher keinen Bedarf mehr hat, erhält er wieder eine Probezeitkündigung.

Kann der Leiharbeitnehmer Kündigungsschutz geltend machen?

Meines Erachtens ja, wenn max. drei Monate zwischen den Arbeitsverhältnissen liegen. Im Einzelnen:

In der Probezeit kann der Arbeitgeber ohne Grund kündigen. Ein Kündigungsgrund ist aber erforderlich, wenn der Verleihbetrieb kein Kleinbetrieb ist (§ 23 KSchG) und die Wartezeit erfüllt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG), d.h. wenn das Arbeitsverhältnis 6 Monate besteht.

Betrachtet man hier jedes Arbeitsverhältnis für sich, ist die Wartezeit nicht erfüllt. Das ist nur der Fall, wenn man die Dauer der beiden Arbeitsverhältnisse addieren kann.

Die Wartezeit setzt grundsätzlich ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis voraus. Zwei Arbeitsverhältnisse können ausnahmsweise addiert werden, wenn die Unterbrechung "verhältnismäßig kurz" ist und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen "ein enger sachlicher Zusammenhang" besteht. Dabei wird die Lücke zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen grundsätzlich nicht mitgerechnet. Unter welchen Voraussetzungen eine Unterbrechung als verhältnismäßig kurz anzusehen ist, lässt sich nicht generell festlegen. Zu berücksichtigen sind neben der absoluten Dauer auch mögliche Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses oder der betreffenden Branche. Ob ein sachlicher Zusammenhang anzunehmen ist, hängt insbesondere von Anlass der Unterbrechung und Art der Weiterbeschäftigung ab. Vgl. allgemein BAG, Urteil vom 20.06.2013, 2 AZR 790/11.

Folgende Punkte sprechen hier für eine Addition der Arbeitsverhältnisse:

Dauer der Unterbrechung: Wenige Wochen.

Besonderheiten der Branche: Dass eine Unterbrechung der Einsätze für drei Monate branchenüblich und vom Verleiher hinzunehmen ist, zeigen folgende Regelungen:

- § 9.3 MTV BAP zur Kündigungsfrist (der Satz fehlt in § 2.2 MTV iGZ):

„Als Neueinstellungen gelten Arbeitsverhältnisse mit Mitarbeitern, die mindestens drei Monate lang nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber standen.“

- die Regelungen über Branchenzuschläge,

vgl. § 4 ETV BAP:
„Wird der Einsatz für einen Zeitraum von bis zu 3 Monaten unterbrochen, so wird der einsatzbezogene Zuschlag nach der Unterbrechung unter Anrechnung der vorausgegangenen Überlassungszeiten fällig.“

vgl. § 2 Abs. 2 TV BZ Chemie, § 2 Abs. 2 TV BZ Kunststoff, § 2 Abs. 2 TV BZ PE:
„Der Branchenzuschlag wird für den ununterbrochenen Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb gezahlt. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Arbeitgeber an denselben Kundenbetrieb/Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen.“

vgl. § 2 Abs. 2 VGZ BZ Eisenbahn Tarifvertrag, § 2 Abs. 2 TV BZ PPK, § 2 Abs. 2 TV BZ Druck:
„Der Branchenzuschlag wird für den ununterbrochenen Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb gezahlt. Unterbrechungszeiten einschließlich Feiertage, Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitstage, die die Dauer von 3 Monaten unterschreiten, sind keine Unterbrechungen im vorgenannten Sinne.“

- § 8 Abs. 4 Satz 4 AÜG:

"Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen."

- § 1 Abs. 1b) Satz 2 AÜG:

"Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen."

Anlass der Unterbrechung: Das erste Arbeitsverhältnis wurde vom Verleiher beendet mit Hinweis auf den Auftragsmangel. Das ist aber das typische Unternehmerrisiko, das der Verleiher tragen muss.

Vgl. § 8 Abs. 5 AÜG:

"Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer mindestens das in einer Rechtsverordnung nach
§ 3a Absatz 2 für die Zeit der Überlassung und für Zeiten ohne Überlassung festgesetzte Mindeststundenentgelt zu zahlen."

§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG:

"Zusätzlich zu den in § 2 Abs. 1 des Nachweisgesetzes genannten Angaben sind in die Niederschrift aufzunehmen:
1. Firma und Anschrift des Verleihers, die Erlaubnisbehörde sowie Ort und Datum der Erteilung der Erlaubnis nach § 1,
2. Art und Höhe der Leistungen für Zeiten, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist."

§ 11 Abs. 4 Satz 1 und 2 AÜG:

"§ 622 Abs. 5 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nicht auf Arbeitsverhältnisse zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern anzuwenden. Das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers (§ 615 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) kann nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden; § 615 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt."

Auch in der Probezeit darf er das Beschäftigungsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen.Darauf, dass der Leiharbeitnehmer sich nicht bewährt hat, kann sich der Verleiher schlecht berufen, wenn er ihm versprochen hat, er werde wieder auf ihn zukommen, sobald Bedarf ist, oder wenn er für ihn weiterhin Vorstellungsgespräche bei Kunden organisiert hat.

Art der Weiterbeschäftigung: Wenn der Leiharbeitnehmer den gleichen Arbeitsvertrag für die gleiche Position bei gleicher Arbeitszeit und gleichem Gehalt bekommt, kann sich der Verleiher nur schwer darauf berufen, der Leiharbeitnehmer habe sich beim ersten Mal nicht bewährt.

Fazit:

Vor diesem Hintergrund hat der Leiharbeitnehmer gute Chancen, Kündigungsschutz geltend zu machen. Zumindest lässt sich auf dieser Basis ein guter Vergleich aushandeln.

Für Verleiher ist die Wiedereinstellung riskant, wenn weniger als drei Monate zwischen zwei Arbeitsverhältnissen liegen und wieder die gleichen Konditionen mit neuer Probezeit vereinbart werden. Ein solches Verhalten kann die Zuverlässigkeit des Verleihers in Frage stellen, was zum Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung führen kann.
Vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. Juni 2019 – L 11 AL 27/19 B ER.

Nov 2019
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